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"Sophie & ich" in Endingen

Ein Theaterstück als Geschichtsunterricht der etwas anderen Art

Von Ruth Seitz

Sa, 26. November 2022 um 12:00 Uhr

Endingen

 Theatersaal statt Klassenzimmer: Endinger Realschüler erlebten am Freitag das Theaterstück "Sophie & ich" von Ursula Kohlert. Am Wochenende ist das fiktive Stück um die Widerstandskämpferin Sophie Scholl und Hitlers Sekretärin Traudl Junge noch zweimal zu sehen.

Theatersaal statt Klassenzimmer – für die oberen Klassen der Stefan-Zweig-Realschule stand am Freitagmorgen Geschichtsunterricht der etwas anderen Art auf dem Stundenplan. Sie sahen sich das Theaterstück "Sophie & ich" im Bürgerhaus an. Annette Greve, die Leiterin der Deutschen Kammerschauspiele, hat das Stück von Ursula Kohlert inszeniert. Die beiden Schauspielerinnen Guila Doreen Arteman und Jeanne Zaugg besuchten mit Annette Greve und Musiker Thomas Parr nach der Aufführung die Klassen in der Schule und standen den Schülern Rede und Antwort.

"Haben Sie wirklich echt geweint?"


Die Geschichte um Sophie Scholl, während des Naziregimes Widerstandskämpferin der "Weißen Rose", und das fiktive Treffen mit Traudl Junge, Hitlers Sekretärin, hat aufgrund der Inszenierung und dem eindrucksvollen Spiel der beiden Schauspielerinnen schon viel Lob erhalten. Viele Schüler staunten angesichts der Emotionen, die die beiden Schauspielerinnen zeigten. "Haben Sie wirklich echt geweint?", fragt ein Schüler Giulia Doreen Arteman, die als Traudl Junge am Ende gebrochen und fassungslos auf ihr unreflektiertes Verhalten blickt. Die Schauspielerin erklärt, wie sie sich in die Zeit versetzen musste, wie umfassend sie und ihre Partnerin Jeanne Zaugg sich auf das Leben von Sophie Scholl und Traudl Junge einlassen mussten. "Wenn das Stück vorbei ist, muss man aber auch Stopp sagen, sich klar machen, das man das nicht alles gerade selbst erlebt", sagt sie.

Mit dem Ukrainekrieg holte die Wirklichkeit das Ensemble ein


Traurig fanden viele Schüler den Schluss des Stückes, den Tod Sophie Scholls, die von den Nazis hingerichtet wurde. Die Schüler erfahren auch, wie brutal das Ensemble durch den Ukrainekrieg von der Wirklichkeit eingeholt wurde: "Es war dann nicht mehr Geschichte, was wir gespielt haben, das war tagesaktuell", betont Annette Greve, die "Sophie & ich" schon im vergangenen Sommer als Stück ausgesucht hatte, das sie unbedingt auf die Bühne bringen wollte. "Wir wollen mahnen mit dem Stück, dass wir nie wieder so etwas erleben müssen" – die Schüler kennen die Bilder aus der Ukraine, die tagtäglich zu sehen sind und sie haben die Hintergrundbilder aus dem Dritten Reich bei der Aufführung gesehen.

Viele Schüler interessieren sich auch für die Arbeit der Schauspielerinnen und der Theaterleiterin, auch die Musik von Thomas Parr, der das Stück auf der Gitarre begleitet hat, hat ihnen gefallen. Was viele ganz besonders interessiert: Wie lange die Schauspielerinnen gebraucht haben, so große Texte auswendig zu lernen. Jeanne Zaugg hat gut zwei Monate gelernt, ihre Partnerin etwas kürzer – beeindrucktes Schweigen im Klassenzimmer.
 

Hinter jedem Stolperstein steckt ein menschliches Schicksal


In einer Klasse erinnert Giulia Doreen Arteman die Schülerinnen und Schüler an die Stolpersteine in Freiburg und vielen Gemeinden, daran, dass sich wie bei Sophie und Traudl, hinter jedem Stolperstein eine wahre Geschichte verbirgt, ein menschliches Schicksal. Und dass es darum geht, sich zu entscheiden – eine Uniform anzuziehen oder nicht oder sich, übertragen auf heute, als Jugendlicher Gruppenzwängen zu beugen, wie ein Lehrer den Bogen zu der Lebenswelt der Jugendlichen schlägt. "Es geht immer um den Menschen", sagt Annette Greve, bevor sie gemeinsam mit dem Ensemble ins nächste Klassenzimmer eilt.

Text und Bildquelle : Badische Zeitung 26.11.2022

KREIS EMMENDINGEN - EMMENDINGEN

1. Apr 2022 - 16:46 Uhr

Eine besondere Stadtführung lässt Zeitgeschichte in Emmendingen lebendig werden - Schauspielerin Giulia Artéman alias Goetheschwester Cornelia Schlosser führt durch die Stadt

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„Achtung vor den Kutschen!“, warnt Cornelia Schlosser, dargestellt von Schauspielerin Giulia Doreen Artéman, nachdem sie sich am heutigen Freitagvormittag der wartenden Gruppe vorgestellt hat und die Gäste über den zentralen Busbahnhof in Emmendingen in Richtung Innenstadt führt.

Auf dem Weg ins Stadtzentrum nutzt sie die Säulen der Corneliapassage als Zeitstrahl, um ihren Zuhörern einen kurzen Abriss der Stadtgeschichte zu geben.
Von dem urkundlichen Hinweis 1091 bis zur Verleihung des Stadtrechts 1590 sind die wichtigsten Daten der Kreisstadt dabei. Auch die schlimmen Folgen des dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) für die Stadt bleiben nicht unerwähnt.
Nun schreiben wir das Jahr 1776, und Cornelia führt uns durch die Stadt, in der ihr Ehemann Johann Georg Schlosser als Amtmann im Namen des Markgrafs arbeitet und der Stadt moderne Reformen angedeihen lässt.

Cornelia erzählt nicht nur von ihm, sondern auch aus ihrem bisherigen Leben und ihrem Verhältnis zu ihrem Bruder Johann Wolfgang. Wir erfahren von der meist freudlosen Ehe und wie die junge Frau mit ihrem Mann vom lebensfrohen Karlsruhe in die doch recht öde Provinz im Breisgau kam. „Mit dem Schiff bis Weisweil und von dort hochschwanger mit dem Ochsenkarren“, beschreibt Cornelia die beschwerliche Reise. Auch erfahren wir von der schwierigen Geburt und der folgenden, langen Bettlägerigkeit der jungen Mutter.

Cornelia zeigt ihr Wohnhaus, in dem heute die Stadtbibliothek beherbergt ist, und erklärt die damalige Raumaufteilung zwischen Amtsstube, Wohnbereich und den Zimmern für das Gesinde. Dabei streut sie immer wieder Auszüge aus Briefen ihres Bruders und Passsagen ihres Tagebuchs ein, so dass der Zuhörer ein gutes Bild vom Wesen der Frau und dem Verhältnis zu Bruder und Ehemann bekommt. Auch weitere Gebäude der Stadt und wichtige Eckpunkte der Stadtgeschichte gehören zur 75-minütigen Führung.

Schauspielerin Giulia Doreen Artéman ist nicht nur der Epoche gemäß gekleidet, sie versteht es auch, die historische Figur der Cornelia perfekt zu verkörpern. Wird man während der Führung nicht ab und zu durch vorbeifahrende Ochsenkarren (DHL-Lieferwagen) oder Kutschen (Elektrofahrzeug eines örtlichen Geldinstituts) jäh in die Gegenwart zurückgeholt, fühlt man sich schon gekonnt ins 18. Jahrhundert versetzt.
Durch die kecke Art von Cornelia (oder war es jetzt doch die Giulia?) vergeht die Zeit wie im Flug und es bleibt reichlich Gelegenheit, den Gefühlsstimmungen der jungen Frau zu folgen.

Im April, Mai und Juni gibt es weitere vier Gelegenheiten, sich von Cornelia in die Zeit um 1776 versetzen zu lassen. Die Führung beginnt jeweils um 18 Uhr.

Textquelle und Bilder : Regiotrends 1.4.2022

Theaterpremiere in Endingen

"Sophie & ich" – ein Stück über Wegschauen oder Verantwortung übernehmen für das Leben

Von Ruth Seitz

Mi, 16. März 2022 um 08:00 Uhr

Endingen

 Eindrücklich, bedrückend und sehenswert: Für die Premiere von "Sophie & ich" bei den Deutschen Kammerschauspielen in Endingen gab es stehende Ovationen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit stehenden Ovationen feierte das Premierenpublikum in Endingen alle Beteiligten Foto: Ruth Seitz

Theaterpremiere „Sophie & ich“ in Endingen: die erste gemeinsame Zigarette. Foto: Ruth Seitz

Es gibt Theaterbesuche, die prägen sich für immer im Gedächtnis ein – "Sophie & ich" von Ursula Kohlert in der Inszenierung von Annette Greve gehört mit Sicherheit dazu. Nach eineinhalb fesselnden Stunden gab es am Samstagabend im Bürgerhaus "Standing Ovations": für die grandiose Leistung der beiden Schauspielerinnen Jeanne Zaugg (Sophie Scholl) und Giulia Doreen Artman (Traudl Junge), für die stille, unaufgeregte und deshalb umso eindrücklichere Inszenierung von Annette Greve und für das einfühlsame Gitarrenspiel von Thomas Parr.
 

Nicht wissen wollen oder hinschauen und handeln?


Das Stück der Deutschen Kammerschauspiele ist angesichts des abscheulichen Krieges in der Ukraine brandaktuell und vermutlich hat jeder Theaterbesucher die Frage nach der eigenen Positionierung und dem eigenen Verhalten in einem Krieg oder Konflikt mit nach Hause genommen. Wegschauen, nicht wissen wollen oder hinschauen und handeln? Genau darum geht es in "Sophie & ich".
 

Fiktive Begegnung zweier lebenslustiger junger Frauen


Sophie Scholl, die mutige Widerstandskämpferin der "Weißen Rose", die wie ihre Mitstreiter von den Nazis hingerichtet wurde und die unbedachte Sekretärin Hitlers, Traudl Junge, haben sich im wirklichen Leben nie getroffen, obwohl beide eine Zeit lang in München gelebt haben. Drei Treffen umfasst die fiktive Begegnung der beiden. Die erste im Jahr 1936 zeigt die Gemeinsamkeiten der beiden Frauen auf, die eine 1920, die andere 1921 geboren: jung, lebenslustig und lebenshungrig, rauchen sie im Frühling gemeinsam ihre erste Zigarette, beide in Hitlers "Bund Deutscher Mädchen". Lachend und kichernd entwerfen sie ihre möglichen Lebensszenarien, im Turnerdress schwingen sie Reifen und Bänder, schöne, sanfte Gitarrenmusik umspielt die Zuhörer. Unwohlsein mischt sich in die unbeschwerte Stimmung durch die großen Bilder, die Annette Greve im Hintergrund auf die Leinwand projiziert hat. Geschönte Nazi-Bilder von jungen Frauen – "auch Du gehörst dem Führer" steht auf einem. Dann der Appell zum Lagerdienst in der Küche; Annette Greves Stimme schallt herrisch und bestimmend auf die Bühne. Begegnung beendet.
 

Die Widerstandskämpferin und die Sekretärin


Das zweite Treffen ist weit weniger unbeschwert: Traudl Junge will eigentlich Tänzerin werden, die Nazis wollen sie aber als Sekretärin, ihr Lebenstraum zerplatzt wie eine Seifenblase. Auch Sophie Scholls Leben wendet sich: Die wissbegierige junge Frau darf nicht studieren, muss zum Arbeitsdienst. Die eine redet sich ihre Lebenskehrtwende schön, die andere begehrt auf. Die Gitarrenmusik wird disharmonischer, die Bilder auf der Leinwand immer unbehaglicher. "Die werden die Jugend schlachten, dabei sind wir doch die Zukunft", sagt Sophie Scholl. "Es gibt keine Ausnahmen, wir sind im Krieg, alle müssen Opfer bringen", sagt Traudl Junge.
 

"Es ist immer besser, selbst Verantwortung zu übernehmen."


Dann die dritte Begegnung der Frauen: Sophie ist bereits tot, ermordet von den Nazis – symbolisiert wird das durch das schwarze Kleid, das Jeanne Zaugg trägt. Die Bilder auf der Leinwand werden unerträglich: geschundene Menschen, zerstörte Städte, Krieg in seiner ganzen Grausamkeit – die Bilder ähneln denen, die seit fast drei Wochen Abend für Abend aus der Ukraine im heimischen Wohnzimmer über den Bildschirm laufen. Traudl bricht zusammen angesichts des unermesslichen Leids, das der Krieg hinterlassen hat, fragt die Freundin, warum sie unbedingt die Heldin spielen musste, überlegt, ob sie die Zyankalikapsel – das Abschiedsgeschenk Hitlers – benutzen soll. Sophie hindert sie daran, sich ein zweites Mal davonzustehlen. "Es war alles von Anfang an falsch", sagt Sophie zu Traudl, die fassungslos auf ihr unreflektiertes Verhalten blickt und überlegt, wie das alles passieren konnte. Und: "Es ist immer besser, selbst Verantwortung zu übernehmen."
 

"Glaubst du, ich bin gern gestorben?"


Am Ende verurteilt die eine die andere nicht, sie legen ihre Leben dar – gebrochen die eine, ungebeugt die andere. "Es war Frühling, als sie mich geholt haben, glaubst du, ich bin gern gestorben?", fragt Sophie, erinnert an die erste gemeinsame Zigarette im Frühling – und gibt der Freundin mit auf den Weg: "Die, die leben, müssen Verantwortung tragen für das Leben." "Ja", sagt Traudl, "aber an dich werden sich alle erinnern."

Die Bühne wird dunkel, es ist totenstill im Bürgersaal, dann brandet Beifall auf – lang und laut, absolut verdient. Jeanne Zaugg und Giulia Doreen Artman waren Sophie Scholl und Traudl Junge – absolut überzeugend und mit großer Spielkunst und Empathie haben sie ihr Publikum eineinhalb Stunden gefangen gehalten, ihm keine Pause gegönnt. Absolut sehenswert – die beiden Schauspielerinnen, die Inszenierung, das Theaterstück.

Ressort: Endingen

 

 

Textquelle: Badische Zeitung Mi, 16. März 2022:

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Bei einem interaktiven Stadtkrimi kannst Du den Mörder des Nikolaus suchen

Stefan Mertlik

Di, 03. Dezember 2019 um 10:19 Uhr

Wer hat den Nikolaus umgebracht? Freiburg Living History lädt zur Zeitreise ins Jahr 1562 ein. Jeden Adventssonntag inszeniert die Theatergruppe den interaktiven Stadtkrimi "Stille Nacht, tödliche Nacht". fudder war dabei.

"Die Influenza treibt ihr Unwesen", ruft Achim Freund, der den Pfarrer spielt. Nervös umkreist er die Leiche, die vor dem Fischbrunnen auf dem Münsterplatz liegt. In seiner Hand hält er eine Bibel. Immer wieder stößt er Gebete aus. Doch eine Stichwunde am Rücken verrät, dass nicht die Grippe den Mann im Nikolauskostüm dahingerafft hat, sondern ein heimtückischer Mord. Die Szene ist Teil des Stadtkrimis "Stille Nacht, tödliche Nacht" der Theatergruppe Freiburg Living History, der am Heiligabend des Jahres 1562 spielt.

 

Die 14 Teilnehmenden schockt dieser Vorfall nicht. Sie sind vorbereitet. Schauspielerin und Regisseurin Sybille Kleinschmitt nahm das Publikum am Münster in Empfang und erklärte das Szenario. "Ich bin ganz aufgeregt, mal sehen wie ihr euch schlagen werdet", freut sich Kleinschmitt über die bevorstehende Suche nach dem Mörder. Sie ernennt eine Gruppenführerin und händigt ihr eine Tasche aus. Darin befinden sich mehrere Briefe mit weiteren Anweisungen.
 

Die Altstadt als perfekte Krimi-Kulisse

"Kommt näher, damit sich die Kinder nicht erschrecken", fordert Guilia Arteman, die eine Händlerin mimt, das mitspielende Publikum auf. Der Anblick des toten Weihnachtsmannes könnte den vorbeilaufenden Kindern tatsächlich Alpträume bescheren. Freudige Neugierde überwiegt allerdings, weshalb Passanten immer wieder stehenbleiben und dem wilden Treiben auf dem Münsterplatz beiwohnen.
Seit 2011 versetzt die Theatergruppe Freiburg Living History die Teilnehmenden in längst vergangene Zeiten. Dafür nutzt die Theatergruppe die wohl beste Kulisse, die es gibt: Die Altstadt.

Stücke wie "Catharina Stadellmenin – Die Hexe von Freiburg" und "Die Wanderhure – Aus dem Leben einer Hübschlerin" lassen die Stadtgeschichte wieder aufleben. Hierfür bedient sich Living History an Märchen und Sagen, aber auch an den historischen Romanen von Astrid Fritz. Auch "Stille Nacht, tödliche Nacht" basiert auf einer alten Stadtlegende.

 

Weiß der Ledermacher mehr?

Der Himmel über Freiburg wird inzwischen dunkel. Weihnachtliche Lichterketten weisen den Weg durch die Gassen. Die Spurensuche führt die Gruppe ins Gerberviertel. Vielleicht weiß der Ledermacher mehr über die Mordhintergründe. Das gemeinsame Rätseln schweißt die Teilnehmenden zusammen. Gemeinschaftlich befragen sie den Handwerker. Achim Freund, der seine schwarze Pfarrerrobe gegen einen braunen Ledermantel gewechselt hat, spielt den Gerber. Er muss improvisieren und bei jeder Frage in seiner Rolle bleiben. So bezeichnet er eine neumodische Bar kurzerhand als altes Wirtshaus.

Vier Schauspielerinnen und Schauspieler schlüpfen in zehn verschiedene Rollen. In großen Rucksäcken transportieren sie ihre Kostüme. Einen Topf voller Glühwein durfte die Theatergruppe in der Wohnung einer Freundin lagern. Zur Bühne am Martinstor musste Sybille Kleinschmitt das schwere Behältnis trotzdem tragen: "Dadurch wird mir wenigstens nicht kalt", scherzt die Schauspielerin. Die Detektive scheint der "Würzwein" zu beflügeln. In der Grünwälderstraße stellen sie den Mörder.

Text und Bildquelle: Badische Zeitung 3.12.2019

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Eine Hochzeit und ein Todesfall

Intrigen, Schlägereien, ein gescheiterter Mordversuch – im Restaurant Löwen versammelte sich am Samstagabend eine wahrlich ungewöhnliche Hochzeitsgesellschaft.

 

 

 

Mehr als einmal eskalierte die Situation im «Krimidinner» im Restaurant Löwen vor den Augen des Publikums.

Sibylle Meier

Sicher, es war alles nur ein Spiel. Gleichwohl beäugte der Hochzeitsgast sein Weinglas an diesem Abend mit einer Portion Misstrauen. Denn noch vor dem garnierten Nüsslisalat war die Köchin zusammengebrochen: Sie hatte von einem vergifteten Cocktail gekostet und erlebte nicht einmal mehr ihre selbst geschaffene Vorspeise. Bestimmt war der «Bloody Mary» aber für den Bräutigam – noch Minuten vor dem gescheiterten Mordversuch hatte die Hochzeitsgesellschaft zum «Hoch sollen sie leben» angestimmt. Wie konnte es so weit kommen?

                          Foto: Sibylle Meier

Das Schauspiel bot sich 72 Gästen des Theaters Freistil, die am Samstag im Niederglatter Restaurant Löwen dinierten. Das von der Kultur- und Dorfkommission (Kudoku) angebotene «Krimidinner» hätte deutlich mehr Interessierte angezogen. «Dabei wissen wir selber nicht, was hier auf uns zukommt», sagte Erwin Furrer zu Beginn. Denn ab dem ersten Auftritt des Brautpaars eröffnete sich dem Publikum ein Abenteuer voller Intrigen, Missverständnissen, Sehn- und Eifersucht.

Mehr als nur ein Feind

Auf der einen Seite war da das Brautpaar: der genauso reiche wie jähzornige Thomas (Sebastian Menges) und seine Geliebte Sandra (Giulia Arteman), die sich von der beliebtesten Stripperin zur Sekretärin ihres Zukünftigen gemausert hatte. Beide brachten Altlasten in die Beziehung: Thomas hatte geerbt, nachdem seine Eltern bei einem Autounfall – war es wirklich ein Unfall? – ums Leben gekommen waren. Nicht selten wurde er an seinem eigenen Hochzeitsfest handgreiflich, und dieser Impulsivität war es wohl zu verdanken, dass er sich in seinem Leben mehr als einen Feind gemacht haben muss. Sandra hingegen war adoptiert und hatte bereits sechs Ehegatten überlebt, die meisten mit einem sehr dicken Portemonnaie. «Von diesem Geld habe ich nie etwas gesehen», bekräftigte sie aber, «ich habe mir jeden Cent selber verdient.» – «Sie als Mörderin? Das wäre zu einfach», mutmasste eine Zuschauerin noch während des Spiels.

Auf der anderen Seite: Pfarrer Weber und Andreas (beide gespielt von Achim Freund), der ungeliebte, da zweifellos rebellische Bruder des Bräutigams. Beide hätten Grund genug, Thomas aus dem Weg zu räumen – einmal aus Missgunst, einmal aus Liebe. Die Situation eskaliert einmal so, dass der (echte) Gemeindepräsident Stefan Schmid eine Schlägerei auseinandertreiben musste.

Jubel für den Flamencotanz

Auch wenn den Gästen schauspielerisch nur wenig abverlangt wurde: Eine Rolle spielte jede und jeder, sei es als Familienmitglied, Mitarbeitende oder als Golfclubmitglied. Einige gingen darin regelrecht auf und sorgten im Publikum für zusätzlichen Jubel. Etwa ein Herr, der sein Können als fiktiver Flamencolehrer demonstrieren sollte; oder ein anderer, der kurzerhand zum Onkel Roland ernannt wurde und in dieser Rolle kräftig mitkommentierte.

«Cool gemacht war das ‹Krimidinner› sowieso», meinte ein anderer, «aber ich war froh, dass es für mich beim Zuschauen blieb.» Die Standing Ovation bekräftigte, was schon während der drei Stunden Spielzeit im Raum stand: Allen gefiel das Stück, das Mitraten – und wohl auch die Erfahrung, die Schauspielerin und die Schauspieler nicht aus der Distanz auf einer Bühne zu beobachten, sondern sie neben sich zu spüren, mit ihnen anzustossen und das Geschehen mit Ausrufen und Gelächter zu begleiten.

Text und Bildquelle : Züricher Unterländer 8.12.2019

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„Hey, Abschaum!“ – Mordsfrauen im Knast

Veröffentlicht am 1. April 2014 von Arne Bicker in Zvardon's World 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Schicksal des Uli Hoeneß hat die Republik wachgerüttelt: Es gibt Gefängnisse im Land! Und Jeder, aber wirklich Jeder kann da reinkommen, wenn er Mist baut. Jetzt sind die Medien voll mit Reportagen über unsere Justizvollzugsanstalten, wie es darin aussieht, was es zu essen gibt, welche Farbe die Tapeten haben – alles wird unter die Lupe genommen, denn wir ahnen es: In uns allen steckt ein kleiner Hoeneß, der irgendwann zum Vorschein kommen könnte und rufen: „Kuckuck, da bin ich!“

Auch der Kolumnist des euroJournals erhielt Weisung, sich in einem Knast seines Vetrauens umzuschauen und Einblicke zu vermitteln. Zum Gefängnis meiner Wahl bestimmte ich vorsichtshalber einen Ort mit größtmöglichem Rückkehrfaktor: Der Keller des E-Werks in Freiburg schien mir gerade richtig. Hier hocken zu wechselnden Spielzeiten fünf weibliche Häftlinge des Theaterensembles PUCK in einem selbstgebauten Knast und lodern vor sich hin. Das Publikum ist Zeuge des Vollzugs und erhält Einblicke in die Psyche derer, die sich zwangsweise mit unerwünschten Lebenslagen herumschlagen müssen.

Die 40 Jahre junge Theaterautorin Corina Rues-Benz aus Gottmadingen setzt ihre fünf „Mordsfrauen“ in einem plötzlich als doppeldeutig gebrandmarkten ‚Aufenthaltsraum‘ im Inneren eines Gefängnisses aus. Natürlich gibt es kein Entrinnen, und sogar das Publikum darf im Shakespeare’schen Sinne vor und hinter Gittern gesiebte Luft ein- und ausatmen, denn die Bühne ist mit vertikalen Stäben vom Zuschauerraum abgetrennt. Das Setting erinnert an das 1978 in London uraufgeführte Theaterstück “Klassen Feind” des Engländers Nigel Williams, in dem sechs Schüler in einem – wenngleich von innen – verriegelten Klassenzimmer ohne Lehrer eigene Beschäftigungstherapien und Psychosen entwickeln.

Der selbsternannte Leitwolf Iron, in der deutschen Fassung Fetzer, heißt in Rues-Benz‘ Stück Margot (gespielt von Juliane Flurer). Die junge Frau ist Metzgerin, sie selbst nennt sich „Innereienzerlegungskünstlerin“ oder „DJ Schlachtraum“, und hat im Knast die Latzhosen an. Uschi (Ilona Brandenburg), Paula (Giulia Doreen Artemann), Erika (Jana Skoloski) und Fernande (Julia Binneweiß) sind zunächst die Schafe im Zwangskollektiv und werden von Margot in die Ecken gebissen. Die Zellen sind den jungen Frauen aus dubiosen Gründen verschlossen; im Aufenthaltsraum lässt sich kein Wärter blicken.

Und jetzt geht’s ab. Denn Langeweile – und hier ähneln sich die Stücke „Klassen Feind“ und „Mordsfrauen“ am meisten – ist eine mächtige Triebfeder. Oder, wie es eine Protagonistin vermerkt: „Gedanken bei sich zu behalten schadet der Psychohygiene.“ Und so fängt die „Erinnerungskacke“ an zu dampfen. Dabei ist es egal, ob der missliebigen Schwester ein Föhn in die Badewanne geworfen wurde, ein Pfarrer mit einer Statue erschlagen oder der Chef durch den Fleischwolf gedreht wurde – gemordet haben alle Fünf. Und sie erzählen es sich, weil etwas sie eint: „Abführmittel oder Arsen – derselbe Hintergedanke.“

Das Hauptproblem im Gefängnisalltag scheint derweil ein latenter Lakritzschneckenmangel zu sein, wobei sich die Insassinnen selbst als Schnecken bezeichnen. Das erscheint schlüssig, denn langsamer als hier kann man nicht leben. Eine beliebte Anrede im Frauenknast ist auch das zynische „Hej, Abschaum!“ Lustvoll hauen sich die fünf Freiburger Schauspielschülerinnen der Abschlussklasse im siebten Semester den Gefängnisslang um die Ohren. Der Besucher ahnt, was Uli Hoeneß erwartet.

„Hast du noch irgendwelche Einwände bezüglich meines Sozialverhaltens“ schnauzt Margot aggressiv im Theater hinter Gittern und verrät, ganz Metzgertochter, ihren größten Wunsch: Sie möchte am liebsten „Leberwurst Deluxe bis zum Nordpol exportieren“. Auch dies ein künftiger Erfahrungswert für den Metzgersohn Uli Hoeneß? Die rothaarige Paula setzt dem entgegen, wie gerne sie im Supermarkt „am Weichspüler riechen“ würde. An diesem Ort der dämmernden Seelen bleiben Träume der einzige Trost.

Daneben fahnden die Fünf mit ihren räumlich und kommunikativ beschränkten Mitteln nach den Gründen für das Ausgesperrtsein aus den Zellen. Ein gerüchteweiser Wasserrohrbruch scheint immer weniger plausibel; die Frauen schwanken in ihren Mutmaßungen zwischen einem Betriebsausflug der Wärter “zum Wassertreten nach Bad Wörrishofen” und einem Stelldichein des Gefängnismitarbeiters Brickmann mit einer ominösen Rosa-Lippenstift-Frau in einer der nun leerstehenden Zellen.

Immer wieder aber feinden sich die Fünf untereinander an. „Es gibt keine Freunde in dieser Galaxie – die gibt es nur bei Rosamunde Pilcher“, lautet eine Erkenntnis. Und immer wieder jammert die fromme Fernande: „Mir erschließt sich das nicht“, und: „Es war Alles ganz anders“. Das scheinen zwei zentrale Gedankenprobleme im Knast zu sein, der sich seinen Insassinnen als „Point of no return“ unaufhaltsam in den Kopf frisst. Doch es geht immer noch schlimmer, und sei es gerüchteweise, zum Beispiel durch eine Verlegung in die “JVA Ripfelhofen”, wo es gilt, „verkalkte Duschköpfe mit dem Zahnstocher freizubohren.“

Zum Abgesang schleimt ein hörbar verunsicherter Minister beim politischen Knastbesuch über die Sprechanlage in den Aufenthaltsraum: „Guten Abend liebe Strafgefangene”, und endet mit: “In diesem Sinne: Weiter so!“ Eine Aufforderung von zweifelhaftem Charakter, der die fünf jungen Schauspielerinnen gleichwohl nachkommen: Weitere Vorstellungen gibt es am 21., 22., 28. und 29. März, sowie am 4., 5., 11. und 12. April, jeweils um 20 Uhr.

“Mordsfrauen”, Regie: Nuscha Nistor, Kammerspiele im E-Werk (KIEW), Kellertreppe an der Parkplatzseite. Weitere Infos: Theaterensemble PUCK.

Textquelle: eurojournalist.eu 1.4.2014

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